Robin Road

Angemessen oder zu schnell?

In einer schattigen Kurve lagen Laubblätter am Boden. Es war feucht und Arthurs Mustang rutschte plötzlich weg, drehte sich und verfing sich in einem Gartenzaun – obwohl er sich innerhalb des vorgeschriebenen Tempolimits befand. Was sagt das Recht dazu?

Veröffentlicht am 23.11.2022

Arthur fährt immer gerne, gut und zügig. Dies tat er auch vor einem Jahr. Die Herbstsonne liess die goldenen Blätter der Laubbäume leuchten. Er fuhr ausserorts mit seinem Ford Mustang. Vor und hinter ihm waren ebenfalls Autos, die in etwa gleich schnell unterwegs waren. In einer schattigen Kurve lagen Laubblätter am Boden, es war feucht und Arthurs Mustang rutschte plötzlich weg, drehte sich und verfing sich in einem Gartenhag. Arthur verletzte sich zum Glück nur leicht, aber es entstand ein Sachschaden am Auto und am Gartenhag. Der Polizei beteuerte er, er sei die erlaubten 80 km/h gefahren.

Pneueigenschaften kennen

Arthur konnte sich den Unfall nicht erklären – er war nicht schneller gefahren als erlaubt. Die Autos vor ihm hatten die Kurve ohne Probleme gemeistert und sein Ford Mustang hatte keinen Defekt. Als er dann noch Post von der Staatsanwaltschaft erhielt, drehte er fast im roten Bereich. Gemäss Strafbefehl wurde ihm wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassenverhältnisse, Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und mangelnder Aufmerksamkeit eine Busse von 500  Franken nebst Gebühren von 400 Franken aufgebrummt. Dagegen musste er sich wehren.

Unbestritten lag Laub auf der nassfeuchten Strasse. Arthur war der Überzeugung, mit angepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein, weshalb man ihm am Selbstunfall keine Schuld geben dürfe. Schliesslich waren bei den anderen Autos mit gleichem Tempo keine Probleme aufgetreten, somit müsse er ja den Umständen entsprechend unterwegs gewesen sein. 

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, Arthur könne sich mit seinen Argumenten nicht genügend entlasten. Die Autos vor Arthur seien mit mutmasslich normal dimensionierten Pneus bestückt gewesen, sein Ford Mustang hingegen mit Breitreifen. Dass die anderen Autos keine Probleme hatten, könne Arthur nicht für sich in Anspruch nehmen. Bei einem Auto mit breiteren Sportreifen sei die Rutschgefahr generell erhöht. Weiter setzte die Staatsanwaltschaft voraus, dass allgemein bekannt sei, dass Sportpneus besonders schnell ins Rutschen gerieten, wenn der Grip nachlasse, besonders bei kühleren Temperaturen und feuchtem Laub auf der Strasse. Der deutsche ADAC empfehle deshalb beispielsweise, dass heckgetriebene Fahrzeuge mit älterer Bereifung bei starkem Regen nicht schneller als 80 km/h fahren sollten. Die Staatsanwaltschaft rückte daher vom Vorwurf nicht ab und hielt daran fest, dass Arthur seine Geschwindigkeit nicht den Witterungs- und Strassenverhältnissen angepasst habe. Schliesslich handele es sich bei der angegebenen Geschwindigkeitsbegrenzung nur um die maximal erlaubte und nicht um die in jeder Strassen- und Wettersituation angebrachte Geschwindigkeit.

Keine Tempoangabe machen

Immerhin liess die Staatsanwaltschaft wegen der anderen beiden Vorwürfe mit sich reden und verzichtete auf das Nichtbeherrschen des Fahrzeugs sowie die mangelnde Aufmerksamkeit. Dadurch reduzierte sich die Busse um die Hälfte. Arthur lenkte ein, denn in anderen Fällen waren gebüsste Autofahrer auch schon vor Gericht gezogen, aber nicht besser weggekommen. Im Gegenteil: Die Gerichtskosten betragen regelmässig im Fall des Unterliegens ein Vielfaches der Busse.

Übrigens tendieren Lenkerinnen und Lenker oft dazu, gegenüber der Polizei zu sagen, sie seien nur so schnell gefahren, wie eben maximal erlaubt gewesen sei, obwohl sie dies gar nicht mit Sicherheit wissen — sozusagen im vorauseilenden Gehorsam. Solche Aussagen bringt man aus den Polizeiakten kaum mehr weg, ausser man kann den Beweis mittels GPS, Dashcam oder der gespeicherten Fahrzeugdaten erbringen. Wer sich keine zusätzliche Grube graben will, verzichtet besser auf die Geschwindigkeitsangabe. Oder man sagt selbstbewusst, man sei «mit angemessener Geschwindigkeit» unterwegs gewesen, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Immerhin sieht das Schweizer Recht vor, dass man sich nicht selbst belasten muss. 

Robin Road wünscht weiterhin gute Fahrt!

Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek – alias Robin Road – schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Website www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Autoblog von www.driving.legal. Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden.

Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.

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Schreiben Sie ihm:
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Robin Road
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