Kolumne

Den Ruhm bekommen immer die Falschen

Eine poetische Darstellung über die Unfähigkeit anderer.

Veröffentlicht am 08.04.2020

Da rackert man sich ab, und am Schluss steht einem ein anderer vor der Sonne. Das ist Murphy‘s Law, und es ist vor allem der Anfang von Murphy‘s Law. Das ging so: 1949 wurden auf der Edwards Airforce Base in Kalifornien Tests mit Raketenschlitten gemacht. Mit ihnen wollte man herausfinden, wie viel positive und negative Beschleunigung beziehungsweise Bremskräfte der menschliche Körper aushalten kann.

Die Versuche waren sehr erfolgreich, und die Erkenntnisse fanden Eingang in die Konstruktion von Schleudersitzen, Flugzeugen oder Weltraumkapseln. Freiwilliges Versuchskaninchen war der Arzt John Paul Stapp, der für die Versuche stoisch blaue Flecken, innere Blutungen und Knochenbrüche in Kauf nahm. Ich war nur wenige Tage bei den Versuchen dabei, und meine Hauptaufgabe war es, ein paar neuartige, hoffentlich zuverlässigere G-Messgeräte beizusteuern, welche am Raketenschlitten befestigt wurden. Nun gab es zwei Möglichkeiten, um die Geräte an Stapps Anzug anzuschliessen – mit einer funktionierte die Messung, mit der anderen nicht. Prompt schloss ein Techniker die Geräte so an, dass die Messung «Null» anzeigte. Stapps Heldenmut und seine Blessuren waren für die Katz. Danach gingen die Versuche mit Stapp weiter, diesmal mit richtig montierten Sensoren. Der Legende nach war ich nach dem verunglückten Experiment ziemlich sauer und soll in etwa Folgendes gebrummelt haben: «Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, etwas zu tun, und eine Möglichkeit führt zum Desaster, dann gibt es garantiert jemanden, der diese Möglichkeit findet.»

Murphy's Law
«Die Fähigkeit zur Unfähigkeit ist so universell, dass auch der kleinste Fortschritt der Menschheit als nahezu unmögliches Wunder erscheint.»

Dieser Spruch ist noch nicht wirklich eingängig und wäre wohl im kleinen Ärger eines misslungenen Tests untergegangen. Aber ein paar Wochen später wurde John Paul Stapp auf einer Pressekonferenz gefragt, wie sie es denn angestellt hätten, dass bei den gefährlichen Versuchen niemand ernsthaft verletzt worden sei. Er antwortete darauf: «Bei allem, was wir tun, haben wir Murphy’s Law im Hinterkopf.» Auf die verwunderte Nachfrage, was Murphys Gesetzt denn besage, antwortete er: «Alles was schiefgehen kann, wird auch garantiert schiefgehen.» Daraufhin erzählte er die Episode mit den falsch montierten Sensoren und meiner säuerlichen Bemerkung. Nur habe ich es nicht so und vor allem nicht so deutlich gesagt. Es müsste also eigentlich «Stapp‘s Law» und nicht Murphy‘s Law heissen. Denn er hat den Satz so geprägt und berühmt gemacht, wie er heute überall zitiert wird, nicht ich.

Aber auch das ist Murphy‘s Law. Den Ruhm bekommen immer die Falschen. Allerdings hat John Paul Stapp auch ein Gesetz geprägt, das eigentlich noch schöner und umfassender ist als jenes, das dank ihm meinen Namen trägt: das Stapp-Paradoxon. Es lautet: «Die Fähigkeit zur Unfähigkeit ist so universell, dass auch der kleinste Fortschritt der Menschheit als nahezu unmögliches Wunder erscheint.»

Alles was schiefgehen kann, wird auch garantiert schiefgehen.

Edward Aloysius Murphy (1918–1990) war Luftfahrtingenieur in den USA. Er gilt als der Entdecker von «Murphys Gesetz». Mit dem Relaunch der auto-illustrierte telepathiert er nun regelmässig die neuesten Erkenntnisse aus den unzähligen Anwendungen von Murphy’s Law an die Redaktion. Sein Sekretariat ist erreichbar über murphy@auto-illustrierte.ch.

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