Robin Road

Gespachtelt, verrostet, geschweisst

Der Ferrari 308 GTB in aussergewöhnlich gutem, toprestauriertem Zustand war Simonas Traumwagen. Doch er entpuppte sich als Albtraum. Was kann sie jetzt noch dafür tun, damit der Traum doch noch in Erfüllung geht? Robin Road alias Dr. Rainer Riek klärt auf.

Veröffentlicht am 25.03.2021

Simona erfüllte sich ihren Mädchentraum und kaufte sich über eine Internetplattform einen Ferrari 308 GTB bei einer Oldtimergarage. Angepriesen wurde er online als «in aussergewöhnlich schönem Zustand» und mit «Karrosserie/Interieur toprestauriert». Im Kaufvertrag waren wie üblich sämtliche Gewährleistungsrechte wegbedungen – der bekannte Haftungsausschluss. Kaum erworben, holte sie den Ferrari bei der Garage ab. Wunderschön stand er da, im klassischen Rot. Zurück beim Garagisten ihres Vertrauens dann die grosse Enttäuschung: gespachtelt, verrostet, geschweisst!

Sofort reklamierte Simona die Mängel per Einschreiben beim Verkäufer. Dieser bestand auf den Vertrag und Simona auf das verlockende Inserat. Wer bremste nun wen aus: Der Haftungsausschluss die Anpreisungen im Inserat oder umgekehrt?

 

Inserat darf nicht lügen

So klar die Ausgangslage auf den ersten Blick scheint, so erstaunlich ist das Ergebnis: Trotz beidseitig unterzeichnetem Haftungsausschluss unterlag dieser den werbewirksamen Zusicherungen des Inserats. Der Grund hierfür liegt im Vertrauen, welches das Inserat in den vermeintlichen Topzustand des 308-ers bei Simona weckte.

Gerade bei Oldtimern besteht die Versuchung, dass der Verkäufer nur das Nötigste wie die offensichtlichen Mängel repariert, damit das Auto die Fahrzeugprüfung besteht und den Veteranenstempel erhält. Drückt der Verkäufer beim Verkaufsgespräch oder im Inserat aber zu fest aufs Verkaufsgaspedal, dann kann das Geschäft wie bei einem guten alten Vergaser «versaufen».

Simona durfte sich auf die dem Vertrag vorausgehenden Verhandlungen und Anpreisungen verlassen, denn diese beeinflussten ihren Kaufentscheid erheblich. Der Verkäufer machte zwar geltend, er hätte das Fahrzeug von einem Dritten übernommen, welcher den Ferrari ebenso angepriesen hatte, wie er es in seinem Inserat tat. Dies nützte dem erfahrenen Verkäufer aber nichts, da er den Wagen hätte prüfen und die Mängel hätte kennen sollen.

 

Bundesgericht unterstützt Käuferin

Der Ferrari-Kauf von Simona trug sich bereits im Jahr 2005 zu, fernab von Thomas Magnums 308-er und Barbies 328-er. Trotzdem ist er noch brandaktuell wie das Urteil vom 02.11.2020, 4A_514/2020 zeigt. Das Bundesgericht hat in einem ähnlichen Fall Ende 2020 ebenso entschieden: Es ging um einen Porsche 356 von 1960. Auch dort musste der Verkäufer wegen Mängeln, die er zumindest aufgrund seiner Erfahrung hätte kennen müssen, dem Käufer einen Teil des Kaufpreises zurückerstatten.

Schliesslich musste der Verkäufer nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die von ihm verschwiegenen Mängel den Entscheid über den Vertragsschluss hätten beeinflussen können. Der Verkäufer darf zwar erwarten, dass der Käufer im Rahmen des Zumutbaren das Auto selber prüft. Dem Verkäufer kommt nämlich eine Aufklärungspflicht zu, ansonsten ist der Lack auf dem Haftungsausschluss schnell ab ist. Die Aufklärungspflicht entfällt nur, wenn der Verkäufer nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Käufer werde die Mängel ohne Weiteres erkennen. Dies trifft in der Regel zu, wenn er die Mängel bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen sollen. Beim Porsche wären die festgestellten Mängel aber nicht einmal bei einer Prüfung durch einen Experten festgestellt worden, womit der Haftungsausschluss gleich doppelt ungültig war.

Je unerfahrener der Käufer und je erfahrener und «blinder» der Verkäufer ist, je grösser ist das Ungleichgewicht im Know-how. Desto heikler sind somit Freizeichnungsklauseln und desto besser muss der Verkäufer sein feilgebotenes Auto prüfen.

Simona gewann den Fall vor Gericht und der Verkäufer musste die Reparaturen am Ferrari übernehmen. Und wen es interessiert, was Simona im Jahr 2005 für den 308 GTB bezahlte (Jahrgang 1977, gemäss Tacho 31 000 km), dem sei so viel verraten: deutlich unter 30 000 Franken.

Robin Road wünscht gute Fahrt!

 

Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola, Ferrari 

 

Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Auto-Blog von www.driving.legal.

Wenn Sie ein strassenverkehrsrechtliches Problem oder Fragen dazu haben, schreiben Sie Robin Road eine E-Mail: road@auto-illustrierte.ch

Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.

 

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