Test

Porsche 718 Cayman GT4 RS - Infernalisch

Die Le-Mans-Sieger Neel Jani und Marcel Fässler nehmen sich den Porsche 718 Cayman GT4 RS zur Brust und prügeln ihn über die Rennstrecke in Franciacorta. Von Schonung kann dabei nicht die Rede sein.

Veröffentlicht am 22.01.2023

Ortstermin Franciacorta. Dem Ort – kurz vor Brescia –, wo Porsche erst kürzlich sein achtes Experience Center eröffnet hat. Herzstück ist der 2,5 Kilometer lange Circuit, auf dem in diesem Jahr erstmals auch ein Lauf zum Porsche Sports Cup Suisse ausgetragen wird. Beide Protagonisten warten schon. Den Probanden habe ich im Gepäck dabei beziehungsweise bringe ihn mit.

Es ist der King of Cayman – der GT4 RS. Problemlos, ja, man will es nicht meinen, komfortabel hat er mich die letzten 500 Kilometer mit Leichtigkeit hierher gebracht. Voll gestopft mit Motorsport-Ingredienzen muss man sich jedoch schon arg zurücknehmen, um nicht gegen alle geltenden Tempolimite zu verstossen. Man steht quasi immer mit einem Bein im Knast.

Mit Profi-Motorsportlern im Ring

Mit breitem Grinsen im Gesicht empfangen mich Neel Jani und Marcel Fässler in der Box. Der eine, nämlich Jani, immer noch Porsche-Werkspilot, der andere, nämlich Fässler, hat mittlerweile die Fronten gewechselt und hält als Head of Motorsport bei Sportec die Fäden in der Hand, um sein Wissen an die dort fahrenden Piloten weiterzugeben.


Neel Jani (links) und Marcel Fässler (rechts) loteten aus, was im Porsche 718 Cayman GT4 RS an Renn-Genen drinsteckt. Es ist viel!

Dass beide ihr Metier beherrschen, haben sie nicht nur einmal bewiesen. Fässlers drei Le-Mans-Siege und der Weltmeistertitel in der WEC sowie Janis Le-Mans-Sieg, ebenfalls der WEC-WM-Titel und der erst kürzlich errungene Sieg – für einmal mit Cadillac – beim 12-h-Rennen von Sebring sind Beweis genug dafür.

Preisfrage

«So, und was kostet der GT4 jetzt?», ist Fässlers erste Frage. Stirnrunzeln ist angesagt, als ich ihm den Preis von 176 900 Franken versuche schmackhaft zu machen. Jani sieht es von der anderen Seite: «Ist doch gar nicht so schlecht. Klar kriegst ihn nicht hinterher geworfen, aber damit ist er doch rund 40 000 Franken unter dem Basispreis des GT3.» Dann wäre das auch geklärt. «Du sitzt aber mit im Auto, wenn wir unsere Runden drehen. Ist vielleicht gar nicht mal so schlecht für die Gewichtsverteilung», hängt er an.

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Oh Mann, auf was habe ich mich da mit den beiden Haudegen bloss eingelassen. Der Seeländer darf auch gleich den Anfang machen. Durch die Boxengasse geht es hinaus auf die Piste. Jani gibt gleich alles. Auch in der Gewissheit, dass Fässler nach ihm den Porsche übernehmen wird. Noch dazu ist das Auto mit einem Transponder ausgestattet, der die Zeiten festhält. Die Blösse, dass er dann eventuell langsamer ist als der Ex-Audi-Werkspilot, will er sich nun wirklich nicht geben.

Wahrlich keine Kaffeefahrt

Also Pedal to the Metal. Gekonnt manövriert er den nur 1415 Kilogramm leichten Sportler um den technisch anspruchsvollen Kurs und verlangt ihm alles ab. Er pflügt mit dem 500-PS-Mittelmotorsportler durchs Feld wie Marco Odermatt durch die Riesenslalomtore. Nichts und niemand scheint ihn aufzuhalten. Höchstens mein Mittagessen, das sich gerade auf den Weg nach oben macht. Runde für Runde kommt mir schneller vor. Ist es auch. Und Jani gibt abermals alles. Gott sei Dank die letzte Runde, in der es gilt, das Material zu kühlen. Zustimmend nickt der 38-Jährige und reckt den Daumen in die Höhe.

Ich glaube ob meines fahlen Gesichtsausdrucks lasse ich den Helm gleich auf. Mit Fässler wartet schliesslich der nächste. «Schnall dich gar nicht erst los, wir gehen sofort wieder raus», sprach er und halfterte sich mit dem Fünfpunktgeschirr gleich fest, während die Mechaniker den Pneudruck nachjustieren. Also ab in die nächsten Umläufe. Ruhig und besonnen, aber nicht minder langsam erledigt der Schwyzer seinen Job.

Eine Kaffeefahrt, bei der dir die Gesichtsmuskeln einschlafen, sähe anders aus. Irgendetwas hat er jetzt gebrüllt. Verstanden habe ich es nicht. Der direkt hinter uns platzierte Boxer entwickelt einen Sound, der jede Unterhaltung unmöglich macht. Ich kann aber sein breites Grinsen unterm Helm förmlich erahnen. «Noch eine letzte schnelle Runde», brüllt er mich an. Ja, das hast du schon vor zwei Umläufen gesagt. Der GT4-Ritt scheint ihn doch süchtig zu machen – irgendwie verständlich.

Jani hat knapp die Nase vorn

Zurück in der Box machen beide, was Rennfahrer nun mal so machen. Zeitenvergleich. Knapp, aber wirklich ganz knapp hat Neel Jani die Nase um ganze zwei Hundertstel vorn. Selbst den einen oder anderen GT3 hat das Duo um fast zwei Sekunden mit dem GT4 RS hinter sich gelassen. Das sind Welten. «Der GT4 passt perfekt für Franciacorta, da es hier sehr eng ist», so Janis erstes Statement. «Da kommt das leichtere kleine Auto natürlich gut zum Zug. Der Sound ist mega.

Ich war angenehm überrascht über die Traktion, die er zu bieten hat. Gerade bei der extremen Hitze hätte ich mir das schwieriger vorgestellt. Wir sind ja mit den Michelin-Pneus unterwegs gewesen. Auf ihnen schwimmt man eigentlich mehr rum. Aber auch das hat der GT4 gut gemeistert und lag stets satt auf der Strasse. Punkto Power fehlt mir so der letzte Punch. Wir Rennfahrer können nie genug Leistung im Auto haben. Aber darum ist es ja ein GT4 und kein GT3. Seine Agilität hat er locker unter Beweis gestellt, sodass der Cayman durchaus mehr Dampf vertragen könnte. Das Chassis ist eigentlich zu gut für den Motor.»

Mega Bremse

«Grundsätzlich ist er ein sehr einfach zu fahrendes Auto», fügt Fässler an. «Er ist sehr stabil auf der Bremse und lenkt präzise ein. Man spürt, dass der RS mit einem kleinen Untersteuern abgestimmt wurde. Somit ist das Heck sehr vertrauenswürdig und easy zu handeln.


Der Saug-Boxer zieht die Frischluft direkt am Ohr des Fahrers, die Ansauggeräusche wüten nur so durch den Innenraum des GT4 RS.

Einzig die Motorsauggeräusche im Innenraum wären mir zu laut. Die Bremse ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig, da das Bremspedal im Vergleich zu dem, was ich so in Strassensportwagen gewohnt bin, sehr hart ist. Aber das ist nur am Anfang und man gewöhnt sich schnell daran. Ich war überrascht, wie einfach und vorhersehbar sich der GT4 bewegen lässt – und das ohne irgendwelche Überraschungsmomente. Du weisst immer genau, was das Auto macht.» (Porsche 930er 911 Turbo: Der Wittwenmacher.)

Kult bleibt Kult

«Ja, auf der Bremse ist das Auto mega. Das wird er auch auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken wie Monza oder Misano ausspielen können», ergänzt Jani. «Selbst in den Kurven ist der Cayman voll bei der Musik dabei», sagt Fässler, der sich ebenfalls noch etwas mehr Power im Heck wünscht. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. «Der Motor ist ja der gleiche aus dem GT3», weiss Jani. «Von der Leistungsentfaltung ist er also identisch mit dem 911er-Pendant. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass ich den GT4 nicht ganz so hochdrehen musste. Wäre jetzt noch interessant zu erfahren, wie sich der GT3 hier in Franciacorta unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen gibt. Aber dazu müsste man wirklich den direkten Vergleich fahren.»

Dem kann sich Fässler nur anschliessen: «Dank der Gewichtsverteilung ist der GT4 RS sicher etwas neutraler zu fahren.» Moment: Bezieht er das etwa auf mein Gewicht? «Nein, das schon nicht, aber der Cayman scheint mir wirklich noch etwas besser ausbalanciert zu sein als der GT3.»

GT3 oder GT4 im Lead?

Braucht es denn da überhaupt noch den GT3? Im GT4 RS ist doch eigentlich das gesamte Motorsport-Know-how integriert – und das gegenüber dem GT3 auch noch um einiges günstiger. «Ein Porsche ist ein Porsche – egal ob 911 oder Cayman», legt sich Jani fest. «Genau diese DNA ist ganz klar im GT4 drin. Und das in grossem Masse. Für mich hat es nichts mit Prestige zu tun, sondern wirklich nur mit dem Look. Einer der Hauptgründe, wenn nicht sogar DER Hauptgrund, warum ich mich immer wieder für einen GT3 entscheiden würde.

Mir gefällt halt der Look besser. Das fängt bereits beim 911-Design an. Da wird auch der GT4 RS nichts dran ändern. Er bedient meiner Meinung nach einfach eine andere Klientel. Für jemanden, der einen Lotus Exige fährt, ist der GT4 RS genau das richtige Gegenstück. Er ist zwar teuer, aber du weisst, im Gegensatz zu manch anderem Auto, bei ihm genau, dass du immer wieder etwas zurückbekommst – sei es punkto Sportlichkeit, Performance oder Ausstattung.»

«Ich glaube auch, dass es eine Glaubens- und Prestigesache ist», so Fässler. «Beide Autos sind ohne Zweifel top. Ein 911-Liebhaber wird sich aber immer für den 911er entscheiden, auch wenn der GT4 noch besser und billiger wäre. Es hat für beide Platz, sodass beide ihre Fans haben. Ich würde auf alle Fälle beide nehmen, dann fiel mir die Entscheidung, welchen ich nehmen müsste, leichter.»

Porsche 911 Dakar. sportwagen für die Wüste

Technische Daten

Porsche 718 Cayman GT4 RS / Motor: Sechszylinder-Saug-Boxer / Hubraum: 3996 cm3 / Leistung: 368 kW (500 PS) / Drehmoment: 450 Nm / Leistungsgewicht: 2,83 kg/PS / Getriebe: 7-Gang-PDK / Antrieb: Hinterrad / Verbrauch (WLTP): 13,2 l/100 km / Emissionen: 299 g/km CO2 / Effizienzkategorie: G / Beschleunigung 0–100 km/h: 3,4 s / 0–200 km/h: 10,9 s / höchstgeschwindigkeit: 315 km/h / Bereifung: 245/35 ZR20 (v), 295/30 ZR20 (h) / Abmessungen L/B/H: 4456/1822/1267 mm / Leergewicht: 1415 kg / Kofferraumvolumen: v./h. 125/136 l / Preis: ab 176 900 Franken

Text: Jörg Petersen
Bilder: Porsche

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