Opel Signum 2.2

Opel Signum - Der erfolgreiche Flop

Mit dem Signum wollte Opel vor 20 Jahren eine Nische besetzen, die sich allerdings nicht als besonders ergiebig erwies. Ein Flop? Nein, denn es gibt auch Erfolgsgeschichten.

Veröffentlicht am 17.09.2023

Der wichtigste Mann hinter dem Opel Signum ist wohl Walter Treser. Treser? War das nicht der Audi-Mann, der den Namen «Quattro» erfand und sich später als Tuner betätigte? Ja! Nach seinem gescheiterten Berliner Abenteuer eines selbst gebauten Sportwagens mit dem Namen Treser TR1 wurde Treser 1991 Motorsportchef und 1996 Leiter der Vorausentwicklung bei Opel. Dadurch war er massgeblich an der Entwicklung der dritten Generation des Vectra und dessen Derivat Signum beteiligt. Letzterer sollte die Palette nach oben erweitern, weil Opel sich 2003 mit dem Produktionsende des Omega von den gehobeneren Wagenklassen verabschiedet hatte. Die «grossen» Opel wie Commodore, Senator, Monza und die KAD-Reihen (Kapitän, Admiral, Diplomat) waren da schon längst aus den Showrooms verschwunden. In den Köpfen der Fans lebten sie jedoch nach wie vor weiter.

Keine Alternative zur nobleren Konkurrenz


Die knappen überhänge und das scheinbar kurze Heck täuschen: Hinter der Heckklappe des Signum steckt viel Platz.

Ihre Fussstapfen waren für den Signum aber eindeutig zu gross. Er hatte zwar den um 13 Zentimeter verlängerten Radstand des Vectra Caravan mit auf den Weg bekommen, war ihm aber ansonsten wie aus dem Gesicht geschnitten. Ab der B-Säule war das Design eigenständig, der Vectra aber nur allzu gut erkennbar. Schliesslich blieb der irgendwo zwischen zwei Stühlen hängen. Trotz V6-Motoren mit bis zu 250 PS wurde der Rüsselsheimer nie als ernsthafte Alternative zu Audi, BMW, Mercedes und Co. akzeptiert. Ein Facelift im Sommer 2006 konnte das Blatt auch nicht wenden. Und im Juli 2008 war endgültig Schluss. Vielleicht hätten eine eigenständige Front und etwas mehr Bling den Signum von Anfang an stärker vom Vectra abgrenzen sollen.

Erfolg oder nicht?

Auto-Müller im aargauischen Unterkulm wurde vor bald 100 Jahren als Ergänzung zum Hotel Bären gegründet – mittlerweile in vierter Generation und seit Jahrzehnten mit Opel als Hausmarke. Gründer Fritz Müller verkaufte 1925 schon Opel-Velos. Seitdem ist der Familienbetrieb stark mit dem Blitz verbunden. Auf Fotos sieht man Willi Millowitsch beim Tanken seines Diplomat, Jo Siffert beim Autogramme-Geben oder Herbert Müller mit Sohn Daniel beim Kafi-Plausch.


Vielen Kunden war die Nähe zum Vectra zu gross, um den Preis des Signum zu rechtfertigen.

Der heutige Senior-Chef Silvio Müller hat zum Signum, allen Unkenrufen zum Trotz, ein sehr positives Verhältnis: «2003 kamen die ersten Signum. Wir haben gerade einmal zwölf Neuwagen verkauft», erinnert sich Silvio Müller. «Er war für Opel-Verhältnisse schon ein sehr spezielles Auto. Die etwas gehobenere Klasse war für Opel damals ungewohnt. Wir haben Briefe verschickt und mussten Kunden überzeugen, doch mal einen von GM Suisse zur Verfügung gestellten Testwagen zu fahren. Und tatsächlich gab es dann ein grosses Echo, weil das Fahrzeug doch sehr mit seinen Qualitäten überraschte. Aber als Neuwagen lief er trotzdem schleppend. Das lag sicher auch an den Preisen, die zwischen 39'500 und happigen 52'000 Franken lagen.»

Jahreswagen wie warme Weggli

Es musste eine andere Strategie her. Der Internetverkauf war damals noch nicht so gang und gäbe. Dennoch wagte Müller den Schritt und kaufte praktisch sämtliche Dienstwagen der GM-Europe-Manager auf – alles 3,2-Liter-V6 in Topausstattung und maximal ein Jahr alt. «Es hiess damals, man könne ein Auto mit über drei Litern Hubraum nicht verkaufen, und kein Händler wollte die Jahreswagen – ausser wir! Jeden Tag klapperten wir die GM-interne Plattform nach den neuesten Angeboten ab und kauften sie gleich. Es ging sogar so weit, dass wir in Biel anriefen und fragten, wann die nächsten Autos frei würden. Man verstand bei GM die Welt nicht mehr, warum man ausgerechnet in Unterkulm so heiss auf den vermeintlichen Ladenhüter ist», lacht Müller.

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«Als gut ausgestatteter Jahreswagen ging der Signum weg wie warme Weggli. Der GM-Lastwagen lud sie nebst den anderen Neuwagen wöchentlich bei uns ab. Wir verkauften in den nächsten Jahren 50 bis 70 Stück jährlich. Die gingen sogar nach Basel oder Bern und wir verdienten gutes Geld – vor allem in Verbindung mit den V6-Motoren. Das, obwohl auch einige Vierzylinder und Turbodiesel darunter waren.»

«Ich wollte einen Kombi.»

Einen solchen 2,2-Liter-Direkteinspritzer aus dem Jahr 2004 fährt Peter Pulfer – auch damals bei Auto-Müller als Jahreswagen gekauft. Der 68-Jährige machte vor über einem halben Jahrhundert die Automechanikerlehre bei Müller, ging dann aber andere Wege. Als er 2005 einen Kombi suchte, erinnerte er sich an seinen ehemaligen Brötchengeber. «Doch den Signum, den mir Silvio anbot, war nichts für mich. Ich wollte meinen alten VW Passat Variant wieder durch einen richtigen Kombi ersetzen», sagt Pulfer.


Wiedersehen: Seniorchef Silvio Müller (links) unterhält sich mit Ex-Lehrling Peter Pulfer über die Eigenheiten des Signum.

Doch als Müller die Sitze herunterklappte, war der Bann gebrochen. Mittlerweile hat Pulfers Signum über 200'000 Kilometer auf dem Tacho, und ein Ende ist nicht abzusehen. «Das Platzangebot ist ausgezeichnet, der Direkteinspritzer fährt sich sportlich und sparsam und der Fünfgang-Automat ist sehr komfortabel. Probleme gab es – ausser mit der Einspritzpumpe – nie. Einzig der lange Radstand ist gewöhnungsbedürftig. In Parkhäusern ist der Signum nicht so wendig und es kann Passagieren im Fond schon mal schlecht werden.» Ein unterschätztes Auto. «Schon bei der Präsentation des Vectra wurde uns unter grösster Geheimhaltung der Signum gezeigt», sagt Silvio Müller. «Und ich hatte damals schon das Gefühl, dass wir da etwas ganz Tolles bekommen. Das war eine Bombe, mir gefiel das Konzept auf Anhieb.»

Platz wie in der S-Klasse

Dass er dann ausserhalb von Unterkulm kein Renner wurde, konnte damals niemand erahnen. Aber wer sich heute über dieses Wissen hinwegsetzt und sich dem Signum ganz unverkrampft nähert, entdeckt jedoch ein wirklich durchdachtes Alltagsauto, das insbesondere für die Fondpassagiere sogar mit einigem Luxus aufwartet. Für zwei Personen ist die Beinfreiheit besser als in der damaligen Mercedes S-Klasse.


Nach 20 Jahren sind ein paar Pixelfehler im Display okay.

Für drei wird es etwas eng. Der Kofferraum ist variabel, da die Sitzfläche und die Lehne geteilt sind und sich individuell verschieben lassen und die Rückenlehnen lassen sich steiler stellen. Dank des längeren Radstands ist die Ladefläche bei umgeklappten Lehnen so gross wie bei einem Kombi. Heute ist das alltäglich, aber damals war das «FlexSpace»- System eine echte Innovation.

Gut ausgestattet

Und dann gab es da gegen Aufpreis noch den «Travel Assistant» anstelle des Mittelsitzes, der einen Kühlschrank, einen Halter für DVD-Player, Dosenhalter, zwei kleine Klapptischchen und 12-Volt-Anschlüsse bot. Weiter konnte das «Twin Audio»-System geordert werden, mit dem sich die Fondpassagiere über Kopfhörer ihr eigenes Programm anhörten.


Seit über 200'000 km fährt Peter Pulfer seinen Opel Signum schon. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Wer heute einen Signum sucht, sollte sich nach den feinen und üppig ausgestatteten Sechszylinder mit 211 PS umschauen. Aber auch die Vierzylinder sind tolle Fahrzeuge, wenn auch die Einspritzpumpe der Direkteinspritzer manchmal Probleme macht. Ansonsten ist die Technik sehr zuverlässig und die Ersatzteillage immer noch prima. Später kam das Facelift mit dem 2,8-Liter-Turbo und üppigen 250 PS Leistung, die man ihm aber nicht ansieht. Wenn das mal nicht Understatement ist.

Heute elektrisch: Der neue Opel Astra Electric Sports Tourer

Technische Daten Opel Signum 3.2 V6

54°-V6-Benziner, Saugrohreinspritzung, 3175 cm3, B x H 87,5 x 88 mm, 155 kW/211 PS bei 6200/min, 66,5 PS/l, 300 Nm bei 4000/min, 5-Gang-Getriebe, Vorderradantrieb, 7,6–14,3 l/100 km, 0–100 km/h 7,9 s, Spitze: 237 km/h, L/B/H: 4635/1795/1460 mm, Radstand: 2830 mm, Reifen v./h.: 225/45 R18, Leergewicht: 1535 kg, Kofferraum: 365–1410 l, Tank: 60 l, Preis 2003: ab 46'300 Franken (3.2 V6 Sport), Preis aktuell: 4000 bis 7000 Franken (Zustand 2)

Text: Stefan Fritschi
Fotos: Markus Kunz, auto-illustrierte

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